Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, machte mit seinem Roman Salammbô Karthago weithin bekannt. Aber er kultivierte auch gewisse Vorurteile gegenüber den Karthagern…
Salammbô ist die von Flaubert für seinen
Roman erfundene Heldin, dessen Schauplatz
Karthago zu jener Zeit ist, zu der die punische Siedlung die mächtigste Stadt im westlichen Mittelmeer war.
Die Schwester Hannibals und Priesterin des Mondes ist die zentrale Figur dieses grimmigen Epos, in dem sich der Autor sämtliche Übertreibungen erlaubt.
Spektakuläre Szenen, Beschreibungen von Schlachten, Luxus und Geheimnisse des Orients, Gewalt und Sinnlichkeit… ein echter Hollywood-Film vor seiner Zeit!
Eine Ausstellung über den Roman Flauberts, die aktuell in Marseille zu sehen ist, ist für nächsten Frühling im Bardo-Museum in Tunis geplant. (Foto: Ausstellungsplakat)
Die Erfindung des „Tophet von Karthago“
Der Roman entfachte bei seiner Veröffentlichung eine wahre Leidenschaft für die Wiederentdeckung Karthagos.
Aber er hat der Erinnerung an Karthago auch geschadet, indem er nachhaltig einige falsche Bilder produzierte…
Um seinen Roman zu schreiben, hatte Flaubert alles gelesen, was man um 1860 über Karthago wusste, also Beschreibungen griechischer und lateinischer Autoren.
In weiterer Folge ließ der Romanautor seiner Fantasie freien Lauf und verwendete Darstellungen aus dem gesamten Orient, der Bibel und den ägyptischen Basreliefen.
Und so erfand Flaubert den „Tophet von Karthago“ und die Zeremonie der „Kinderopfer zu Ehren des Gottes Moloch“.
Tatsächlich handelt es sich beim Tophet um einen Ortsnamen… in der Nähe von Jerusalem. Nach der Bibel wurden dort einem Gott mit Namen Moloch Menschen geopfert, 400 Jahre vor der Zeit Salambôs.
Die Verbindung war schnell gefunden: Karthago war von den Phöniziern gegründet worden, die ebenfalls aus dem in der Bibel erwähnten „Land Kanaan“ kamen. Flaubert vermutete also, dass die Karthager die gleichen Riten verwendeten!
In der Folge veranlasste der große Erfolg des Romans die Archäologen dazu, nach dem berühmten Tophet von Karthago zu suchen… und sie glaubten sogar es gefunden zu haben.
Sie entdeckten ein altes Heiligtum, in dem sie unter anderem Überreste von kleinen Kindern fanden.
Aber keine Beweise für das von Flaubert beschriebene Ritual.
Gott Moloch oder Göttin Tanit?
Tatsächlich beschrieb Diodor von Sizilien die Zeremonie zu Ehren des Gottes Moloch in Karthago. Der Autor war den Karthagern sehr feindlich gesinnt und lebte ein Jahrhundert nach der Zerstörung der Stadt.
Heute vermuten zahlreiche Historiker, dass ein „Tophet“ ein Kinderfriedhof sei. Dort wurde möglicherweise ein besonderes Ritual zu Ehren des Gottes Baal und der Göttin Tanit, der großen Muttergottheit gefeiert, und es war Kindern, die in jungen Jahren verstorben waren, geweiht.
Allerdings waren die von Flaubert beschriebenen Bilder so stark, dass es vieler Jahre bedurfte, um der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.
Die riesige Statue des „Gottes Moloch“, grausame Priester, die Flammen des Scheiterhaufens, barbarische Rituale, das Blut und die Schreie verdeckten die Realität der archäologischen Entdeckungen.
Heute kann man in der modernen Stadt Karthago ein „Tophet“, ein „Heiligtum für Tanit und Baal“ besuchen. Dort sind zahlreiche gravierte Stelen zu sehen, die die alten Karthager aufstellten und dabei ein Gelübde ablegten.
Der Bezirk, in dem sich das berühmte Heiligtum befindet, trägt heute den Namen… Salammbo.
Die archäologischen Stätten von Karthago stehen auf der Welterbeliste der UNESCO.
Heiligtum für Tanit und Baal in Karthago
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Die archäologischen Stätten von Karthago